Zwischen Information und Sensationsgier – Medienberichterstattung in Zeiten der Krise
Die erste gemeinsame BLM-Tagung der Evangelischen Frauen in Bayern (EFB) und der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Frauen war von gewohnt hoher Qualität mit ökumenischem Plus. Einig war man sich im ebenso interessierten wie kritischen Selbstverständnis und auch in der christlichen Grundhaltung als Ausgangspunkt.
Medienrätin Katharina Geiger kam in ihrer Begrüßung und Vorstellung des Programms gleich auf das sicher spektakulärste Beispiel der Medienberichterstattung des gesamten Jahres zu sprechen, als nämlich mit dem „Münchner Amoklauf“ der Terror von unserer Haustür angekommen war. Wie ist das, ist das in Ordnung, Handyaufnahmen des um sich schießenden Jugendlichen zu zeigen und dauernd zu wiederholen? Nach dem Motto der Tagung also „Muss die Pistole mit ins Bild?“ Oder ist das, um im Bild zu bleiben, „über das Ziel hinausgeschossen?“
Soziale Netzwerke entziehen sich der Regulierung als Medien
Die Medienfachleute diskutieren zur Zeit lebhaft, ob und wenn ja wieviel an Regulierung der Neuen Medien wünschenswert und möglich wäre. Der Präsident der Landeszentrale Neue Medien Siegfried Schneider zeigte zu Tagungsbeginn den Spannnungsbogen anhand einiger Beispiele auf. Bayern und die BLM arbeiten dabei in der gemeinsamen Bund-Länder-Steuerungsgruppe mit, die Vorschläge zu einer Medienordnung auf nationaler und internationaler Ebene erarbeiten soll. Audiovisuelle Medien, wie zum Beispiel auch you tube, unterliegen gesetzlichen Bestimmungen. Wie ist es aber mit den Sozialen Medien, allen voran Facebook? Sie gelten nicht als Medien, die bestimmten Standards ethischer oder journalistischer Art unterworfen sind, sondern sind Unternehmen, die Nutzer miteinander in freundschaftliche Kommunikation treten lassen. Den „Intermediären“ ist nur schwer beizukommen. Wo sind ihre Grenzen, oder wo sollten sie sein? Wenn immer mehr Menschen Nachrichten auch online nicht mehr aus Nachrichtenportalen beziehen, sondern überwiegend von Facebook, so werden gefälschte spektakuläre Nachrichten bedeutend. Sie können sogar Einfluss haben auf nationale Wahlen, wie erst kürzlich im Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump in den USA zu sehen. Facebook-Konzernchef Mark Zuckerberg hält dagegen und behauptet seinerseits, „mehr als 99 Prozent des Contents“ auf Facebook sei echt. So sieht also die von Facebook versprochene „offene und vernetzte Welt“ aus.
Jede weiß etwas: Der Münchner Amoklauf im Sommer 2016
Superspannend wurde es dann beim Vortrag von BLM-Programmleiter Heinz Heim über „Kritische Auseinandersetzung mit Medienberichterstattung in Zeiten der Krise“: Jede wusste etwas, das sie an dem Abend erlebt, beobachtet, im Fernsehen oder Netz gesehen oder Radio gehört hatte. Das Geschehen ist in jeder Einzelnen noch sehr lebendig!
Heim sprang sofort in medias res und zeigte die anfängliche Berichterstattung über den Münchner Amoklauf. Bilder und Reportagen von einer gesperrten Kreuzung nahe dem Olympia-Einkaufszentrum in München, von welchem noch länger nicht bekannt war, ob sich die ein bis drei Täter dort aufhielten oder schon mit der U-Bahn weiter in die Innenstadt hatten fahren können. Die Fernsehberichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen Sender war dabei erkennbar bemüht, die sich jagenden teils sehr problematischen (Horror)Meldungen stets mit dem Zusatz zu versehen, dass man noch nichts Genaues wisse und sagen könne, dass noch nichts bestätigt sei: Die Zahl der Toten, die Zahl der Täter, die Route, die der/die Täter nach dem Einkaufszentrum bzw. Schnellrestaurant noch genommen hatten. Hingegen überschlugen sich die ungesicherten Panikmeldungen auf den Sozialen Medien: Auf Facebook und Twitter gingen wie für dort typisch in Sekunden Horror- und Fakenews rund, wurden Bilder von Trümmern in einer großen Halle oder auch eines jungen Mannes mit einer Waffe gezeigt – aber sie zeigten weder den Tatort noch den Täter!
Die Internetquellen in ihrer nicht nachprüfenden und nicht nachprüfbaren Glaubwürdigkeit sind ein Problem. Es wiederholten sich beim Münchner Amoklauf Phänomene, die den Medienforschern schon vom Attentat auf dem Marathonlauf in Boston bekannt waren. Die Abqualifizierung von auf diesen offenen Kanälen Schreibenden durch die Fachleute als „Selbsternannte Bürgerjournalisten“ ließen aber die diskutierenden christlichen Frauen nicht durchgehen. Dies ist nur ein kleines Beispiel dafür, wie der Diskurs in Kreisen der betroffenen fachlichen Gruppen – hier Journalisten und Medienwissenschaftler – sich tendenziell abhebt, und wie er auf solchen Tagungen im Gespräch mit medieninteressierten Bürgerinnen wieder geerdet wird.
Ethische Grundlagen der Behandlung von Informationen
Zur journalistischen Sorgfalt als Bedingung von Glaubwürdigkeit einer Meldung gehört auch die Verifikation. Wie wahrscheinlich ist die Nachricht? Dabei wirkt das Fernsehen gegenüber dem Internet, in dem jede Sensation in Sekundenschnelle durchs Netz rast, schon bald rückständig. Insbesondere, wenn die JournalistInnen und RedakteurInnen lieber noch abwarten, bevor sie einen unbestätigten Inhalt weiterreichen. Als Faustregel gilt, wie die EFB-Frauen bereits auf der Rundfunktagung eher im Jahr erfahren hatten, eine Nachricht ist dann glaubwürdig und frei zu bringen, wenn sie sich aus zwei unabhängigen Quellen bestätigt. Die auch im Vortrag von Heinz Heim unterstrichene Faustformel heißt „Lieber richtig als schnell“. Besondere Achtung hat sich in dieser Hinsicht im gewählten Beispiel der Berichterstattung über den Münchner Amoklauf der Polizeisprecher Markus da Gloria Martins erworben, der mit großer Besonnenheit dem Ansturm der Medienvertreter standhielt und nur Tatsachen preisgab und genau angab, wo man auch nichts wisse oder sagen könne. Im Fazit bedeutet diese Sorgfaltsforderung dem Schnelligkeitsgrundsatz und dem Trend zu stundenlangen Livesendungen zwar nachzugeben, aber besser doch die Ereignisse journalistisch zu sortieren, zu verdichten und zu erklären. Glaubwürdigkeit solle gerade in diesen Zeiten der Gerüchte und Spekulationen hoch gehalten werden, Verifikation der Informationen, gerade im Digitalen. Schließlich hat dieselbe Sorgfalt auch bei der Bildauswahl zu gelten. Sie dürfen nicht Menschen in ihrem Leid preisgeben werden, auch nicht, wenn spektakuläre Bilder Quote und Werbeeinnahmen bringen. Die Grenze liegt beim Recht am eigenen Bild versus öffentliches Interesse, den Menschenrechten, die für alle zu gelten haben, auch der Zumutbarkeit. Ist das noch Abbildung von Realität oder schon Sensationsmache? Wenn ich den um sich schießenden Jungen mit der Waffe extensiv zeige, trage ich vielleicht zu seiner Idolisierung bei und rege jugendliche Nachahmer an, die das irgendwie „cool“ finden könnten. Wie steht es mit Bildern von Verletzten oder Toten bei einem Unfall? Wieweit läuft die Kamera bei Polizeieinsätzen mit, oder gar mit anderen Menschen um ihr Leben? Rote Linien gibt es, ihnen muss Genüge getan werden oder sie müssen nachsorgend nach Beschwerden oder sogar Klagen behandelt und entschieden werden.
Im europäischen Maßstab
Das Referat der Europareferentin der BLM Johanna Fell lenkte den Blick auf den europäischen Rahmen unserer Medienwelt. Fell gab einen Überblick über die diversen schon existierenden medienrechtlichen Bestimmungen der EU, von den Fernsehrichtlinien der 80er und 90er Jahre bis zur AVMD-RL (Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie) von 2010, die nun zur Erneuerung ansteht. Sie selbst beobachtet für die BLM und Bayern diesen ebenso spannenden wie wichtigen Prozess. Bringt uns dieses mehr Schutz unserer Daten, mehr Qualität der Dienstleistungen auf diesem Bereich, und gibt das den Neuen Medien und dem Umgang mit ihnen einen den gewaltigen Entwicklungen gerecht werdenden Rahmen?
Das Bild wäre besser ohne Gewalt
Muss also die Pistole mit ins Bild? Eigentlich, so das Fazit, sollte sie es aus Gründen der Ethik, Glaubwürdigkeit und Würde eher nicht. Aber die Medien in ihren vielfältigen Formen stehen in einem durch das Netz befeuerten scharfen Wettbewerb. Kurz nach jeder Katastrophe laufen Nachrichten und Handyfilmchen in den Sozialen Netzwerken unhinterfragt um die ganze Welt. Qualität zu liefern und dennoch schnell zu sein und journalistisch auf der Höhe, ist die Anforderung an die Medien. Schutz der Daten und der Personen dahinter ist eine europaweit in Angriff genommene, aber noch nicht gelöste große politische Aufgabe. Die Auswahl und richtige Beurteilung des von den Neuen Medien gelieferten riesigen Informationsangebotes ist weiterhin die gar nicht so leichte Aufgabe von uns als kritischen Mediennutzerinnen. Unserer ständigen Fortbildung auf hohem Niveau dienen die von unseren Medienrätinnen Katharina Geiger (Evangelische Frauen in Bayern) und Ulla Kriebel (AG Katholischer Frauen) verantworteten Tagungen in besonders geeigneter und unverzichtbarer Weise. Daher bedankten sich die EFB-Vorsitzende Elke Beck-Flachsenberg und die Vorsitzende der AG Katholische Frauen Ulrike Faust sehr für die gelungene Tagung.
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