Was ist Weiblichkeit? Oder: sei doch mal unperfekt!
von Diakonin Judith Grosser
Eigentlich wollte ich mich mit Kathrin Geiger treffen, um ein Interview über das Thema „Weiblichkeit“ zu führen – doch dann kam es ganz anders.
Ich kenne Kathrin aus dem Vorstand der EFB, der Evangelischen Frauen in Bayern. Hier haben wir einige Jahre als Vorstandsmitglieder im Dachverband für die unterschiedlichsten Verbände zusammengearbeitet. Während ich dort die Diakoninnen-Gemeinschaft vertrat, saß und sitzt sie im Gremium für den DEF (Deutscher Evangelischer Frauenbund). Aber sie ist auch im Landesfrauenrat (frauenpolitischer Dachverband) und in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) aktiv, also eine versierte Gremienfrau, die in den unterschiedlichsten Bezügen schon viel erlebt hat.
Meine Eingangsfrage war: Was verstehst du unter „Weiblichkeit“? Schon das löste eine Diskussion zwischen uns aus: Darf diese Frage in der heutigen Zeit so gestellt werden? Oder geraten die Gemüter aufgrund unterschiedlicher Ansichten so sehr aneinander, dass hier schon eine inhaltliche Auseinandersetzung schwierig ist? Als EFB-Frauen haben Kathrin und ich diskutiert, ob eine gendergerechte Sprache die Weiblichkeit stärkt. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass „gendern“ nicht nur positive Auswirkungen hat. Durch solch eine als inklusiv bezeichnete Sprache werden einigen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an Sprache erschwert: Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder Hörproblemen, alte Menschen, Nicht-Muttersprachler - für all diese Menschen, für die die deutsche Sprache unter Umständen ohnehin schwierig zu artikulieren und zu verstehen ist, wird es durch das Gendern tatsächlich noch komplizierter.
Aber zurück zur Frage. Kathrin und ich sind in den 1980er und 1990er Jahren Jugendliche gewesen. Wir haben uns weiblich gefühlt, egal wie wir aussahen, wie wir uns verhielten oder was unser Umfeld dachte. Es gab eine große Bandbreite von „typisch“ weiblichen Personen. Bis vor wenigen Jahren gab es in vielen Bereichen Mädchengruppen (oder sogar Mädchenschulen). Diese waren geschlechtsgetrennte Interessensvertretungen, um sich gegenseitig zu stärken.
Egal ob der AKFM (Arbeitskreis Mädchen und Frauen) der Evangelischen Jugend in Bayern, die EFB oder EFiD (Evangelische Frauen in Deutschland), all diese Gremien haben in den letzten zehn Jahren keine Stärkung erfahren. An vielen Stellen wurden ihre zur Verfügung stehenden Ressourcen zugunsten der Chancengerechtigkeit, die sich nicht ausschließlich auf Frauen beziehen, aufgeteilt. In einigen Fällen stärkt solch eine Ressourcenbündelung die gemeinsamen Ziele, in anderen schwächt sie die jeweils zielgruppenspezifischen. Für Kathrin Geiger bedeutet Mädchen- und Frauenarbeit ein Angebot zu machen, ohne dabei unter eine andere, eine Gesamtgruppe subsumiert zu werden. Denn oft braucht man geschlechtergetrennte Interessensvertretungen, um sich innerhalb deren Grenzen zu stärken, um gleiche Anliegen ansprechen zu können und daran zu arbeiten. Es braucht - auch heute noch - Schutzräume, um Frauen zu empowern, um sie zu ermutigen sie selbst zu sein!
An diesem Punkt unserer Diskussion haben wir festgestellt, dass es ziemlich aufwändig sein kann, weiblich zu sein. Wenn wir uns z.B. in der Social Media-Landschaft umschauen: Mit ihren unzähligen Ausprägungen, ganz egal ob jemand selbst Brot backt, Haare kunstvoll frisiert, Haustüren dekoriert oder nur versucht einen Hund zu erziehen, überall gibt es Frauen, die das Gleiche schneller, schöner oder vermeintlich müheloser hinbekommen als man selbst. Hier entsteht schnell ein Perfektionismusgebot, ein Druck, den man aushalten können muss. An dieser Stelle wären die anderen Frauen um dich herum nicht mehr Gleichgesinnte, deine Interessenvertretung oder dein Ort, um dich anzulehnen und auszuheulen.
Uns machen vielfältigste Aspekte weiblich. Unter anderem unsere Erfahrungen, denn diese prägen uns unser Leben lang. Kathrin und ich sind z.B. (sie in der Großstadt, ich auf dem Dorf) immer mit einem mulmigen Gefühl im Bauch heimgeradelt, wenn es bei einer Party „spät“ und deshalb schon dunkel geworden ist. Diese Erfahrung fehlt vielen Männern. Auch weiblich gelesene Personen, die als Jungen sozialisiert und aufgewachsen sind, haben diese und andere Erfahrungen nicht verinnerlicht.
Kurzum: manchmal braucht es, brauchen wir Frauen Unterstützung von Gleichgesinnten, die Versicherung, dass ich nicht alleine bin mit meinem Thema. Und zur Lösung eines strukturellen Problems brauche ich Strukturen, an die ich mich wenden kann.
Wir konnten noch über viele Themen diskutieren, die ich in diesem Text nicht mehr unterbringe. Aber einen Gedanken möchten wir euch noch mitgeben:
Als ich an einem Spätsommerabend in meinem Dorf unterwegs war, standen dort an einer Baustelle ein paar Männer. Entspannt diskutierend hatten einige von ihnen die Hände in den Hosentaschen, andere hatten eine Flasche Bier in der Hand. Als ich an ihnen vorbeikam, sagte ich: „Mensch, das möchte ich auch mal, einfach mal ratschen.“ Daraufhin die Antwort von einem der Männer: „Nimms mir net übel, aber ihr Frauen seid ja auch blöd: ihr gönnt euch das ja net!!“ Ich finde, damit hatte er Recht. Wir, Kathrin und ich, können von uns jedenfalls sagen: sich selbst etwas nicht gönnen, ist irgendwie auch ein Teil von Weiblichkeit.
Anm.: Dieser Text ist in DIVA zum Thema „Weiblichkeit“ der Rummelsberger Diakoninnen-Gemeinschaft im März 2024 erschienen.
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