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Und die zu Hause sieht man nicht -

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Eine Sorge ging um im Lockdown – nicht nur in Deutschland. Gewalt im häuslichen Bereich, insbe­sondere Gewalt, Vernachlässigung, Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, psychische, physische und sexuelle Gewalt gegen Frauen - könne zunehmen.

Dafür gibt es Indizien. So berichten Frauenaktivistinnen aus China, dass in Wuhan, der ersten Stadt unter Qua­rantäne, in dieser Zeit die Hilferufe um das Dreifache zugenommen haben. Ähnliche Entwicklungen der Partnergewalt mit einer Steigerung um 30 Prozent werden aus Frankreich, Spanien und Italien gemeldet. Medien berichten aus Spanien von versuchten Tötungen zwischen Partnern, die sich in der Quarantäne befinden, so Heike Herold, Geschäftsführerin der Frauenhauskoordinierung, am 23. März in der Tages­schau. Auch aus Großbritannien wurde von 16 getöteten Frauen berichtet. Die UNO warnte vor fatalen Folgen für Frauen und das Europabüro der WHO sorgt sich um eine Zunahme häuslicher Gewalt, d.h. zwischen­menschlichen Gewalt gegen Frauen, Männer und Kinder. 

Für Deutschland ist die Datenlage für die Zeit der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen unklar. So wird aus Berlin von einer Steigerung der Anrufe bei der Hotline, dem kostenfreien Hilfetelefon auf Bundes­ebene, berichtet, aus anderen Regionen kommt die Nachricht, dass es keine Veränderungen gebe (SZ vom 7. Mai 2020, Wenn das Kind verborgen bleibt).

Auch wenn es nicht schlimmer wird, es ist schon schlimm

Aber sogar wenn das zuträfe, ist das wirklich eine posi­tive Nachricht? Denn die Daten des Bundeskriminal­amtes für 2018 besagen, insgesamt sind 140.755 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt geworden; knapp 114.393 waren weiblich.

Bei diesen polizeibekannten Fällen geht es um ver­suchte oder vollendete Taten, in 68.500 Fällen um vor­sätzliche, einfache Körperverletzung; in rund 12.100 Fällen um gefährliche Körperverletzung, in 28.700 Fällen um Bedrohung, Stalking oder Nötigung, in 1.612 Fällen um Freiheitsberaubung und bei 324 Fällen um Mord und Totschlag; nahezu jeden Tag eine.

Bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuel­len Übergriffen in Partnerschaften sind die Opfer zu 98,4 Prozent weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es fast 88,5 Prozent. Bei vorsätz­licher, einfacher Körperverletzung sowie bei Mord und Totschlag in Paarbeziehungen sind 77 Prozent der Opfer Frauen. Die Dunkelziffer bei physischer und/oder sexueller Gewalt gegen Frauen ist dabei nicht berücksichtigt (Hintergrundmeldung des BMFSFJ, 21.02.2020)

Die Kinder in diesen Familien sind in besonderem Maße durch die Gewalt gegen die Mütter betroffen, es stellt zumeist eine existentielle Verunsicherung dar, wenn nicht gar eine unmittelbare Bedrohung. Und sie haben ein eignes Risiko, Opfer von körper­licher oder seelischer Gewalt, Vernachlässigung oder sexuellen Missbrauchs zu werden.

So werden am 11. Mai auf der Pressekonferenz für 2019 folgende Zahlen zu kindlichen Gewaltopfern berichtet. Getötet wurden 112 Kinder, davon 46 vorsätzlich und 66 fahrlässig; die meisten - 93 Kinder - jünger als sechs Jahre.

Mit 4.055 Opfern liegt die Zahl der Kindesmiss­handlungen nahezu auf Vorjahrshöhe. Bei diesen Taten war der Anteil männlicher Opfer größer als der weiblicher.

Hingegen stieg die Zahl der Kinder, die polizeilich als Opfer sexueller Gewalt (einschließlich Versuche) er­fasst wurden von 14.606 (2018) auf 15.936 (2019). Eine solche Zunahme um 9 Prozent, im Vergleich zum Vorjahr, gibt es auch bei den Opfern sexuellen Missbrauchs, 15.701 Kinder wurden 2019 in Deutsch­land polizeilich erfasst. Um 20 Prozent gestiegen ist die Zahl registrierter Opfer von Vergewaltigung und Nötigung, es sind 235 Mädchen und Jungen. Das sind nur die Zahlen der Polizeistatistik. Es ist davon aus­zugehen, dass die Dunkelziffern deutlich höher liegen, und die Befürchtungen sind groß, dass die Corona-Krise noch mehr verdunkelt.

Denn, wie Sabine Andresen in der taz vom 28./29. März 2020 schreibt, „zeigen sich strukturelle Ohn­macht und Abhängigkeit von Kindern und Jugend­lichen selten so deutlich wie heute, … dass diese Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus zugleich Kinder und Jugendliche besonders schutzlos machen können.“

Wenn die bereits existierenden Probleme verschärft werden durch Existenzangst, räumliche Enge und Mangel an Rückzugsmöglichkeiten sowie entgleiten­der Alltagsstrukturierung können sie psychisch bedrängend und übermächtig werden. Streit kann eskalieren, und während funktionierende Familien einfach sehr ge­stresst sind, können prekäre Familien zusammen­brechen. So haben laut einem N24-Bericht vom 25. Mai 2020 die Anrufe beim bundesweiten Hilfetelefon seit März um 17 Prozent zugenommen.

Dass Familie - oder der Haushalt, wie das amtlich heißt - und die dort laufenden oder eskalierenden Prozesse eine solche Black Box sind, hängt damit zusammen, dass die direkten staatlichen Kontrollinstanzen wie die Jugendämter, die das Kindeswohl sichern, kaum mehr als etwas Telefon- oder Blickkontakt haben. Und vor allem aber die massenhafte indirekte soziale Kontrolle durch die Kinderbetreuungs- und Bildungs­institutionen ausfällt.

Die Rückwirkung von Kindertagesstätten und Schule auf die Familie, die erzieherischen und kontrollieren­den Maßnahmen in das Private hinein, wird gerade wiederentdeckt und begrüßt.

Nicht nur wegen der Corona-Krise noch ein langer Weg zu gewaltfreier Erziehung und Beziehung!

Dr. Johanna Beyer

 

Hilfsaktivitäten

  1. TERRE DES FEMMES „Mitmach-Aktion“
    Hilfe bei Gewalt gegen Frauen,  mehrsprachiger DIN A 4 Abreißzettel von Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen

www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/ haeusliche-und-sexualisierte-gewalt/aktuelles

  1. Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, Kirchliche Familien- und Frauenarbeit sowie die bayerische Diakonie - Plakate insbesondere für die Schaukästen der Kirchengemeinden und Flyer „Notrufnummern bei Konflikten zu Hause“

www.bayern-evangelisch.de/wir-ueber-uns/ pressemitteilung-1-03-04-20.php

  1. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Posteraktion „Zu Hause nicht sicher“

staerker-als-gewalt.de/gewalt-erkennen/haeus­liche-gewalt-corona-krise

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/corona-pandemie/familiaere-belastungssituationen

hier auch „Nummer gegen Kummer“ für Kinder und Jugendliche und „Elterntelefon“

 

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© Verzweifelte Frau, pixabay

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