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Seenotrettung - Offener Brief von über 200 zivilgesellschaftlichen Organisationen an Bundeskanzlerin Merkel

DEF |

Nachdem jüngst Italien und Malta einem Rettungsschiff mit 64 aus Seenot geretteten Flüchtlingen die Einfahrt verweigert hatte, haben sich Deutschland, Frankreich, Portugal und Luxemburg zur Aufnahme dieser Menschen, darunter eine Frau mit einem elf Monate alten Kind, bereit erklärt. Daraufhin durften die Flüchtlinge nach Malta gebracht und von dort weiterverteilt werden.

Angesichts solcher humanitärer Zwangslagen haben Anfang April über 300 zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland, darunter Brot für die Welt oder die Diakonie Bund und Bayern, einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel geschrieben. Der DEF Bayern hat diesen Brief auf seiner Vorstandsklausur diskutiert und sich aus Mitgefühl und christlicher Nächstenliebe mit den Anliegen solidarisch erklärt.

 

OFFENER BRIEF AN DIE BUNDESKANZLERIN


Frau Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin

Nachrichtlich:
Innenministerium
Auswärtiges Amt
Integrationsbeauftragte
Innenausschuss
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe

Berlin/Frankfurt, 03. April 2019

Drei Forderungen aus der Zivilgesellschaft: Notfallplan für Bootsflüchtlinge /
”Sichere Häfen” ermöglichen / Keine Rückführung nach Libyen

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

in den vergangenen Wochen hat Deutschland gemeinsam mit anderen europäischen
Staaten immer wieder Menschen aufgenommen, die im Mittelmeer aus Seenot geret-
tet wurden. Wir sehen dieses Engagement und begrüßen es, dass die Bundesrepublik bei anderen EU-Mitgliedstaaten für einen Verteilmechanismus für diese Menschen wirbt.

Wir, die Unterzeichnenden, setzen uns auf unterschiedliche Weise für eine menschenrechtsbasierte, solidarische Flüchtlingspolitik ein – als Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen, humanitäre Hilfsorganisationen, Seenotrettungsorganisationen, Kommunen, Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche Bewegungen und lokale Bündnisse.

Wir sind erschüttert angesichts der gegenwärtigen europäischen Politik, die immer stärker auf Abschottung und Abschreckung setzt – und dabei tausendfaches Sterben
billigend in Kauf nimmt. All diese Menschen haben Schutz und eine menschenwürdige Zukunft für sich und ihre Familien gesucht.

Die Pflicht zur Seenotrettung ist Völkerrecht und das Recht auf Leben nicht verhandelbar.
Diese Verantwortung trifft in erster Linie die EU und ihre Mitgliedstaaten; sie müssen eine völkerrechtsbasierte Seenotrettung auf dem Mittelmeer gewährleisten.

Sie haben sich auch dazu verpflichtet, Schutzsuchenden Zugang zu einem fairen
Asylverfahren zu gewähren. Für all dies sind wir gemeinsam mit zehntausenden
Menschen in den vergangenen Monaten bundesweit auf die Straße gegangen.

Dass zivile Helfer*innen kriminalisiert werden, die der unterlassenen Hilfeleistung der
europäischen Staaten nicht tatenlos zusehen wollen, ist ein Skandal. Diese Politik
muss beendet werden, denn sie bedroht nicht nur das Leben von Menschen, sie
setzt auch unsere eigene Humanität und Würde aufs Spiel. Und sie beschädigt das
Vertrauen in den Rechtsraum und die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten. Daher bedarf es einer Neuausrichtung der deutschen und europäischen Politik.

Wir wenden uns an Sie als eine Kanzlerin, die in einem kritischen Moment einen Entschluss gefasst hat, europäisch zu handeln. Die folgenden Maßnahmen weisen aus unserer Sicht Wege aus der derzeitigen humanitären Katastrophe und der politischen Krise. Jetzt, kurz vor den Europawahlen 2019, sind sie wichtiger denn je.

1. Notfallplan für Bootsflüchtlinge:
Die Bundesregierung verhandelt bereits mit anderen europäischen Staaten über ein Verteil- und Aufnahmeverfahren (Relocation) für im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge. Mehrere europäische Staaten sollen sich mit der EU-Kommission zusammenschließen und unter Koordination des Asylunterstützungsbüros EASO die Menschen unter Anwendung der Humanitären Klausel der Dublin-Verordnung nach einem vorher festgelegten Schlüssel verteilen. Den Schutzsuchenden muss nach Anlandung in einem sicheren europäischen Hafen eine menschenwürdige Aufnahme und Zugang zu einem fairen Asylverfahren gewährt werden.
Der Europäische Flüchtlingsrat hat dazu einen praktikablen Vorschlag gemacht. Wir appellieren an Sie, schnellstmöglich einen solchen Notfallplan für Gerettete und
andere über das Mittelmeer ankommende Schutzsuchende umzusetzen.

2. „Sichere Häfen “ ermöglichen:
Wir bitten die Bundesregierung, aufnahmebereiten Kommunen in unserem Land die freiwillige Aufnahme von zusätzlichen Schutzsuchenden in einem europäischen Relocation-Verfahren zu ermöglichen. Zahlreiche deutsche Städte und Gemeinden haben sich in den vergangenen Monaten zum „Sicheren Hafen“ erklärt und ihre Aufnahmebereitschaft signalisiert. Für sie muss eine Möglichkeit geschaffen werden, über ihre Aufnahmepflicht gemäß Königsteiner Schlüssel hinaus, zusätzlich freiwillig Schutzsuchenden aufzunehmen – entweder auf Grundlage bestehender oder neuer rechtlicher Regelungen.

3. Keine Rückführungen nach Libyen:
Die EU und die Bundesrepublik müssen das Non-Refoulement-Gebot als zwingendes Völkerrecht achten und umsetzen. Wir bit-ten Sie, dieses Gebot deutlich gegenüber anderen Staaten zu verteidigen. Das Verbot der Zurückweisung in eine Bedrohungssituation verlangt, dass gerettete Menschen an einen sicheren Ort evakuiert werden. Einige der südlichen Mittelmeeranrainer bemühen sich Asylsysteme aufzubauen. Aufgrund der fehlenden rechtsstaatlichen Garantien kann ein sicherer Ort bis auf weiteres jedoch nur in der EU liegen.
Nach Libyen zurückgebrachte Menschen sind systematisch Folter, Versklavung und Gewalt ausgesetzt, wie Sie aus UN-und Botschaftsberichten wissen. Dementsprechend darf es keine Zurückführung nach Libyen geben. Daraus ergibt sich auch, dass die Bundesregierung und die EU jede Unterstützung und Ausbildung der sog. libyschen Küstenwache einstellen müssen. Diese fängt fliehende Menschen erwiesenermaßen auf hoher See ab und bringt sie mit Gewalt nach Libyen zurück. Auch andere Staaten dürfen nicht dabei unterstützt werden, schutzsuchende Menschen abzuwehren, in Gefahr zurückzudrängen oder unter unmenschlichen Bedingungen festzuhalten.

Wir richten diese Forderungen an Sie und werden uns auch künftig mit aller Kraft für politische Lösungen einsetzen, die von Humanität geleitet sind.

Hochachtungsvoll



Brief-Text und Unterschriftenliste der beteiligten Organisationen u.a. bei www.diakonie.de/fileadmin/user_upload/Diakonie/PDFs/Pressmitteilung_PDF/Offener_Brief_Bundeskanzlerin_Seenotrettung_2.April_2019.pdf

 

 

 

 

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