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Schrille Posts steigern die Verunsicherung in Krisen und bei Katastrophen

EAM |

Am 10. Mai 2017 fand die 3. Fachtagung Jugendschutz mit dem Thema „Bilder, die Angst machen. Katastrophen und Krisen in den Medien“ in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien statt. In seiner Begrüßung wies Siegfried Schneider (Präsident der BLM) auf den Spagat von Opfer- und Jugendschutz hin, den Journalisten in Krisen und Katastrophen leisten müssen. Er betonte, dass im Zeitalter von Fake News (Falschmeldungen) Medienkompetenz auf Seiten der Rezipienten unerlässlich ist.
Der Journalist und Tagungsmoderator Dr. Stefan Leifert (Korrespondent Studio Brüssel, ZDF) erzählte von seinen persönlichen Erfahrungen beim Terroranschlag in Brüssel am 22. März 2016. „Ich war noch im Schlafanzug, als ich die Lage einschätzen sollte“. Binnen von Minuten versuchte er Fakten und Gerüchte zu differenzieren, denn die erste Liveschaltung erfolgte bereits aus seiner Küche. Erst als er im Taxi Richtung Flughafen fuhr, war klar, dass es sich um einen Terroranschlag handelte. Als verlässliche Quellen erlebte er damals Polizei, Staatsanwaltschaft, Flughafen- und Metrobetreiber. Ein Schlüsselerlebnis war für ihn, als während der Vorbereitung der Liveschaltung am Flughafen 14 Leichenwagen an ihm vorbeifuhren. Leifert stellte fest, dass Journalisten heute nicht mehr Schleusenwächter, sondern „Navigatoren im rauschenden Meer der Informationen“ sind.
Medienrealität ist nicht gleich der Realität von Ereignissen, konstatierte Prof. Dr. Alexander Filipovic (Lehrstuhl für Medienethik, München), es gibt einen Unterschied zwischen dem, was passiert und dem, was berichtet wird. Am Beispiel des Germanwings Absturzes 2015 zeigte er auf, wie durch Programmunterbrechung, pausenlose Berichterstattung und Spekulationen die Katastrophe medial inszeniert wurde. Auch die Kritik an der Berichterstattung war Teil dieser medialen Inszenierung des Ereignisses.
„Nein, meine Suppe esse ich nicht“ ist der häufigste Gesichtsausdruck während der Nachrichtenrezeption, demonstrierte Prof. Dr. Frank Schwab (Institut für Medienpsychologie, Würzburg) sehr anschaulich. In seinem Vortrag stellte er drei Studien vor, die zeigten, dass Nachrichten nicht hauptsächlich Angst, sondern vor allem Sorgen, Trauer und sogar Verachtung – letzteres vor allem bei Jungen – evozieren. Jungs im Alter zwischen 7 und 12 Jahren zeigen eine Aggressionsbegeisterung bei Nachrichten. Kinder reagieren bei der Nachrichtenrezeption immer auf die elterliche Reaktion, die sie dabei beobachten. Eltern sollten nicht immer unbedingt über das Gesehene mit den Kindern reden, sondern viel lieber gut zu hören und die Fragen der Kinder beantworten. Kinder, die Nachrichten sehen, sind in der Schule besser, Medienkompetenz wirkt sich positiv auf die schulischen Leistungen aus, so Schwab.
Wie reagiert man in der Praxis auf solche Ereignisse? Am Beispiel des Amoklaufes vom Juli 2016 in München schilderten Marcus da Gloria Martins (Leiter Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Münchner Polizei) und Dr. Torsten Rossmann (Geschäftsführer WeltN24, Berlin) ihre Erlebnisse. „Wir waren kopf- und sprachlos“, „da hat man keinen Masterplan“ erzählte da Gloria Martins. Allerdings hatten die Flüchtlingskrise und der Terroralarm in der Silvesternacht 2015/16 in München zu einem bereits optimierten Umgang der Polizei mit sozialen Netzwerken geführt. 4310 Notrufe gingen bei der Polizei nach dem Amoklauf bis zum Ende ein und 99,1 % der Anrufer hatten tatsächlich Angst. Es gab 73 Phantomtatorte und das Problem, dass der Täter für zwei Stunden verschwunden war. Das größte Problem war für da Gloria Martins die Verbreitung von Fehlinformationen vor allem via WhatsApp und Twitter. Eine Social Media Strategie gab es nicht und sei auch nicht machbar. Auch Rossmann und seine Redaktion waren weder vorbereitet noch ausreichend besetzt, erkannten aber relativ schnell die Nachrichtenlage. „Die Leute erwarten von uns Begleitung, Einordnung und Kommentare unter Beachtung des Jugendschutzes“, so Rossmann.
Birgit Braml und Sonja Schwendner (Referentinnen Medienkompetenz und Jugendschutz, BLM) stellten die Aufgaben des Jugendmedienschutzes vor und wiesen auf die Problematik hin, dass bei hohem Nachrichtenwert und dementsprechenden Informationsbedürfnis der Jugendmedienschutz diesen untergeordnet ist. Sie sehen Medienpädagogik als Ergänzung zum Jugendmedienschutz.
Wir können Kinder nicht mehr von Katastrophen und Krisen fernhalten, so Dr. Maya Götz (Leiterin des internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen, München). Auf Basis ihrer Studien zum Irakkrieg, Fukushima und der Flüchtlingskrise kommt Götz zu dem Schluss, dass Kinder ein Halbwissen über diese Themen haben für dessen korrekte Einordnung und Aufarbeitung sie dringend Unterstützung brauchen. Wissensquellen der Kinder sind alle Medien, Eltern und Peers. Kinder möchten möglichst viele Informationen im Detail, sie wollen die Gefahr für sich selbst einschätzen können. Kinder brauchen Fakten ohne Emotionalisierung.
Unter dem Stichwort „Medienkompetenz: Was sollte man Kindern vermitteln“ diskutierten die Schauspielerin Gesine Cukrowski, der Studiendirektor Helmut Friedl, Michael Gurt (verantwortlicher Redakteur Flimmo, Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis) und Verena Weigand (Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz, BLM). Friedl leitet ein Mädchengymnasium mit 70 % Migrantinnen – davon hauptsächlich Musliminnen. Seine Schule war daher bei allen Anschlägen sehr emotional betroffen und musste viel mit den Mädchen aufarbeiten. Die fortschreitende Digitalisierung bringt neue Herausforderungen an die Medienpädagogik mit sich und „wir müssen der Medienrealität in den Familien dabei Rechnung tragen“ so Gurt. Eltern und Schule müssen zusammenarbeiten, der Ruf nach Medienkompetenz darf nicht an der Finanzierung von Unterstützungsangeboten scheitern.

Sabine Jörk
EAM-Vorsitzende

Bildmaterial: BLM, Fotograf Stefan Heigl

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