Krisenzeiten - wie Frauen Krisen bewältig(t)en
Virtueller Stadtteilspaziergang mit der Historikerin Adelheid Schmidt-Thomé
Kälte und Corona – zwei Faktoren, die den so schön für Mai geplanten Münchner Stadtteilspaziergang zu berühmten sozial engagierten Frauen Münchens der Vergangenheit mit der Historikerin und Autorin Adelheid Schmidt-Thomé verunmöglicht haben. Stattdessen konnte Bildungsreferentin Bettina Marquis die Historikerin und Autorin Adelheid Schmidt-Thomé zu einer gut besuchten Online-Veranstaltung begrüßen und als Expertin für die Kultur und die Frauenbewegung Münchens um die Jahrhundertwende und bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs vorstellen. Wobei klar zu sagen ist, dass München eine der Hauptstädte der Ersten Deutschen Frauenbewegung war und Frauen von überregionaler Bedeutung dort gewirkt haben.
„Krisenzeiten – Wie Frauen in München herausfordernde Zeiten bewältig(t)en“ lautete der Titel des Vortrags, und das von der Autorin gewählte Darstellungsprinzip setzte immer das große soziale Engagement von Frauen vor hundert Jahren beispielhaft gegen einen aktuellen Teil, der Bezug nahm auf die Krisenlage heute insbesondere durch die Coronakrise, die das öffentliche Leben und auch das soziale Engagement von Frauen für Menschen behindert oder gar zum Erliegen gebracht hat. Dabei waren die Krisen, die es vor hundert Jahren zu meistern gab, keinesfalls geringer. Wie stellt sich das zum Beispiel für den Bereich CARE, früher „Fürsorge“ genannt dar? Zum Beispiel gab es von adeligen und bürgerlichen Frauen organisierte Nähstuben, in denen für Soldaten, aber auch für Bedürftige geschneidert wurde. Die Stoffe wurden gestellt und entweder in der Nähstube gemeinsam oder von Abholerinnen daheim verarbeitet. Diese Arbeit geschah teils ehrenamtlich, zum Teil konnte den Näherinnen eine gewisse Verdienstmöglichkeit in schwerer Zeit geboten werden. DEF-Frauen, die sich mit der Geschichte unseres Verbandes beschäftigt haben, werden diese Art der Hilfe kennen, bzw. sind hierhin die Vorläufer der in der aktuellen Coronakrise sich bewährenden Kreativgruppen auch im DEF zu finden.
Ein weiteres großes Thema war die Frauengesundheit, gynäkologische Beratung und Behandlung, auch der Bereich Empfängnisverhütung. Hier ist die bekannte Ärztin Dr. Hope Bridges Adams Lehmann zu nennen, die in ihrer Praxis in der Frauen, auch und gerade arme Frauen, aufklärte und behandelte. Das Leben und Werk dieser Pionierin ist durch diverse Bücher und einen Fernsehmehrteiler dem Vergessen entrissen, was man weiß Gott nicht von allen Frauen, die im Sozialbereich Großes geleistet haben, sagen kann. Adelheid Schmidt-Thomé holt sie in ihren Veröffentlichungen in unser kollektives Gedächtnis, widmet ihnen Porträts und nutzt auch das Internet hierfür: vergessenemuenchnerinnen.de und „Vergessene Münchnerinnen“ als Facebookseite.
Ein großes Problem war auch der Kampf gegen die Zuhälter, die arbeitssuchende Mädchen und Frauen bereits am Bahnhof abfingen. Die Geburtsstunde der Bahnhofsmission, wo sich der DEF maßgeblich engagierte, für Mädchenschutzhäuser und für die hauswirtschaftliche Qualifizierung, um Dienstmädchen in bessere Stellungen zu bringen. Frauen nutzten ihre Chancen und neue Techniken, zum Beispiel die Fotographie. Berühmt war das Fotoatelier Elvira in der von der Tann Straße, das Anita Augspurg und Sophia Goudstikker mit großem Erfolg betrieben und in dem sich Adel und Großbürgertum gerne porträtieren ließen.
Der Kampf der Frauen um die Bildung war allgemein der Schlüssel. Mussten sie anfangs dazu noch ins Ausland gehen, wie zum Beispiel Anita Augspurg zum Jurastudium nach Zürich, so setzten sich die Frauen allesamt sehr für Beratung und Bildung ein, zum Beispiel im Verein für Fraueninteressen, der schon vor 100 Jahren das Sammelbecken der Frauenverbände Münchens war. Daraus ging auch der gleichfalls noch bestehende Stadtbund Münchner Frauenverbände hervor. Und im Ersten Weltkrieg setzten sich die Frauen nicht nur für die Linderung der Armut ein, sondern auch international für den Frieden. Am Anfang der Frauenfriedensbewegung steht Bertha von Suttner, in München beteiligte man sich, indem man zu großen Frauenfriedenskongressen wie 1915 nach Den Haag und Zürich 1919 fuhr. Schmidt-Thomé machte hier mit dem Leben von Anita Augspurg, Lida Gustava Heymann, Margarethe Selenka, Gertrud Baer und Constanze Hallgarten bekannt.
Auf dem virtuellen Stadteilspaziergang wurde nun der Odeonsplatz erreicht und des Kampfes der Frauen gegen rechts gedacht, der Revolutionärin und USPD Mitgründerin Hedwig Kämpfer und auch Ellen Ammanns, die mit Augspurg und Heymann zusammen Hitler bekämpfte und ihre Beziehungen einsetzte. Der Katholische Deutsche Frauenbund setzt sich gegenwärtig für die Seligsprechung seiner Gründerin ein. Mit künstlerischen Mitteln bekämpften Erika Mann und Therese Giehse mit ihrem Kabarett „Die Pfeffermühle“ den braunen Ungeist. Ihr Weg führte sie ins Exil. Giehse kehrte nach dem Krieg in ihre Heimatstadt München zurück. Sie sind die Ahninnen der heute Engagierten von Aktionen wie z.B. „München ist bunt“. Ein eigenes Kapitel wird auch den Pionierinnen der Gleichstellung von Frauen in der Kirche zu widmen sein. Der Weg zur Frauenordination war steinig und in der Bayerischen Landeskirche so recht erst in den 1970er Jahren offen. Zu erinnern war an die Pfarrerin und auch im Münchner DEF engagierte Marianne Pflüger. Sogleich entspann sich unter den Zuhörerinnen ein lebhafter Dialog – ganz sicher ist dies immer wieder ein Thema auch für den DEF. Die katholischen Frauen schlugen in diesem Jahr unter dem Motto „Maria 2.0“ ihre Thesen zur Frauenweihe an die Kirchentüren und setzen sich für Frauen als Priesterinnen ein. Schließlich noch das weite Feld Frauen und Wissenschaft. Denn der Kampf um die Frauenbildung vor über 100 Jahren beinhaltete auch das Recht zu studieren, das erst allmählich eingeräumt wurde und dann aber auf allen Ebenen beherzt von Frauen ergriffen wurde. Und heute? Wir stellen einen Kampf um die Rolle der Wissenschaften im Kräftespiel von Politik und Wirtschaft fest, insbesondere in Fragen des Klimawandels oder der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Es gibt eine Bewegung gegen die Wissenschaft, die Politik berät, und es gibt aber auch Frauen, die effektive Mittel im Kampf gegen Corona entwickeln. Schmidt-Thomé würdigte hier die in den Medien mitdiskutierenden Wissenschaftlerinnen und die Forscherin Özlem Türeci, die den Impfstoff für Biontech-Pfizer mitentwickelt hat. – Frau kann also einiges lernen, wenn sie mit Adelheid Schmidt-Thomé virtuell oder dann auch einmal wieder in echt auf Streifzüge durch die Geschichte der Frauen geht. Es mag dabei erstaunlich sein, wie nah uns die Frauen von vor hundert Jahren in ihrer Bewältigung der beträchtlichen Krisen ihrer Zeit heute sind.
Bettina Marquis
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