Ist unsere Meinungsfreiheit im Netz gefährdet?
Kommentar zum Netzdurchsetzungsgesetz
Viel wurde über die Verantwortung von Facebook, Google, Twitter und Co für die Verbreitung von Hate Speech und Falschmeldungen debattiert. Das noch schnell vor der Sommerpause verabschiedete neue Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG) soll nun zur Rechtsdurchsetzung im Falle strafbarer „Hasskriminalität“ beitragen. Doch der eingeschlagene Weg und die Umsetzung samt einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung widerstreben nicht nur mir.
Betreiber der großen sozialen Netzwerke müssen nun „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden nach Kenntnisnahme löschen, sonst drohen hohe Geldstrafen. Damit werden sie in die Rolle eines Richters gedrängt. Die Entscheidung, was strafbar oder offensichtlich strafbar ist, wird aus der Verantwortung von Gerichten genommen und auf Plattformen bzw. den zuletzt noch in den Gesetzesentwurf eingeführten Einrichtungen einer regulierten Selbstregulierung übertragen. So wird die Rechtsauslegung privatisiert: Löschen statt Strafen und das durch private Akteure - sozusagen private Zensus statt gerichtliche Kontrolle. Das neue Gesetz überträgt also denjenigen, die in ihrer Macht begrenzt werden sollen, zentrale rechtsstaatliche Verantwortung. Nicht einmal ein Widerspruchsrecht für gelöschte Inhalte ist geplant.
Daneben besteht die große Gefahr, dass Plattformen lieber zu viel löschen als zu wenig, um Geldbußen zu umgehen. Aber was ist „offensichtlich“ bei Fragen der Meinungsfreiheit, wo der Kontext oft entscheidend ist?
Die Diskussion um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zeigt sehr deutlich: Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber und Antworten darauf, wie wir mit meinungsbildenden Plattformen umgehen, die einseitig die Regeln unserer Kommunikation im Netz definieren und zu dominant für unseren gesellschaftlichen Diskurs geworden sind.
Viele negative Phänomene im Netz haben aber eine andere Ursache: Große Teile der Bevölkerung sind im Netz zum Sender geworden. Nur: Wer hat uns die Verantwortung und die Kompetenz dazu vermittelt? Bisher konzentriert sich Medienkompetenz-Vermittlung vor allem auf Kinder und Jugendliche, und was ist mit den Erwachsenen? Denn leider fällt beim Kauf eines Smartphones oder Computers nicht die notwendige Digitalbildung vom Himmel.
Katharina Geiger
Foto: Alexander Klaus_ pixelio.de
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