In der Reihe „Starke Frauen im DEF – Vorbilder von gestern für heute“: Maria Christine Zeiske (1917 bis 1993)
Eine starke Frau mit Weitblick, Phantasie und Engagement.
Kindheit und Jugend und Ausbildung in Berlin
Maria Christine Zeiske wurde am 2. September 1917 als Christine Becker in Dresden-Blasewitz im Haus der Großeltern geboren, als der Vater Soldat in Russland war. Sie ist aufgewachsen mit fünf Geschwistern als älteste Tochter in Berlin. Der Vater war Volksschullehrer und Rektor, die Mutter 40 Jahre lang Kirchenälteste.
„Wenn mal das Wirtschaftsbuch nicht stimmt und Soll das Haben überklimmt, geben die alten Lutherlieder Trost und Contenance wieder.“ Dieses Zitat Fontanes hatte der Vater der Mutter auf die Innenseite der Küchentür geschrieben. So ist Maria Christine in dem kinderreichen Haushalt mit dem Schatz der Kirchenlieder aufgewachsen, die ihr in ihrem späteren Leben Trost und Halt gegeben haben, wie sie selber im Beitrag des Büchleins zur Aktion „Miteinander unterwegs. Neu anfangen“ (1988) schreibt.
Nach dem Abitur machte sie ab Herbst 1936 an der „Sozialen Frauenschule der Inneren Mission zu Berlin“ die Ausbildung als staatlich anerkannte Fürsorgerin und Katechetin. Und sie arbeitete nach dem Examen als Familienfürsorgerin der Inneren Mission, zu der Arbeit gehörte auch der Besuch jüdischer Familien, die enteignet waren und Wohlfahrtsunterstützung erhielten.
Junge Ehe, Kinder Vertreibung aus Pommern
Im Dezember 1939, mit 22 Jahren, heiratete Maria Christine Hanns vom Stein, der nach seiner Ordination Anfang 1940 mit der Pfarrei Sellnow beauftragt wurde und sehr bald eingezogen wurde. 1943 wurde der erste Sohn geboren, 1944 eine Tochter. Während sie noch im Krankenhaus war, musste der Vater den Sohn beerdigen. Im Februar, nach dem Tod des eigenen Vaters, wurde sie mit der Mutter und dem Kind aus dem Pfarrhaus des besetzten Dorfes vertrieben und verlor auch dieses Kind. Ihr Mann geriet in russische Kriegsgefangenschaft. Sie konnte wieder in den Ort zurückkehren und verwaltete die Pfarrei bis Januar 1946 in dem russisch besetzten Dorf unter polnischer Verwaltung. Vor der drohenden Verhaftung gelang ihr noch rechtzeitig die Flucht nach Berlin. Albrecht Goes hat diese Fluchtgeschichte in der Erzählung „Sonne stehe still“ literarisch verarbeitet.
Jugend- und Sozialarbeit in Berlin
1947, mit 30 Jahren, arbeitete sie als Landesjugendsekretärin des Burckhardthauses in Berlin. Durch die wichtige Begegnung mit der amerikanischen Streetworkerin Miss Day und der finanziellen Unterstützung des YWCA (CVJM) wurde in Neukölln die „Baracke“ gegründet. Ein Ort für Alle mit Geselligkeit, Singen, Laienspiel, Bibelarbeit, Gesprächen. 1949 erhielt sie eine Einladung an das Union Theological Seminary in New York zur Weiterbildung und auch nach Schweden.
Gemeindearbeit in Puchheim
1951 erhielt sie die Nachricht vom Tod ihres Mannes in der Kriegsgefangenschaft.
Auf einer Fahrt nach Obersdorf lernte sie im gleichen Jahr den Industriekaufmann Ernst Zeiske, einen Wittwer mit drei Kindern, kennen. Sechs Wochen später hielten sie Hochzeit in Neukölln und zogen 1952 nach Puchheim. 1953 wurde noch dazu ihr Sohn Ernst-Christian geboren.
Damals gab es für die Evangelischen noch keine eigene Kirchengemeinde in Puchheim. Im Zuge der Quartiersuche für den Evangelischen Kirchentag in München 1959 wurde erstmals überhaupt die Anzahl der Evangelischen unter Mithilfe von Frau Zeiske festgestellt. 121 Quartiere wurden gefunden. Ein evangelischer Arbeitskreis wurde gegründet und am Pfingstmontag, 18. Mai 1959, im Jugendraum im Kellergeschoss des katholischen Pfarrhauses ein erster Gottesdienst gehalten – überfüllt. Durch diese Gastfreundschaft wurde auch die ökumenische Zusammenarbeit begründet. Puchheim wurde schließlich Tochtergemeinde von Gröbenzell und ab dem ersten gemeinsamen Kirchenvorstand 1964 arbeitete Maria Christine Zeiske mit. Tatkräftig hatte sie sich im Landeskirchenamt auch eingesetzt, dass das erste evangelische Gemeindehaus genehmigt wurde. Am 3. Advent, 13. Dezember 1964, wurde es eingeweiht, 1976 folgte das Gemeindezentrum mit Kindergarten und schließlich 1985 die Auferstehungskirche. Da war die Gemeinde inzwischen 1980 selbstständig geworden und gehörte zum Dekanat Fürstenfeldbruck, gewachsen von 450 auf 4700 Gemeindeglieder (1964-1983).
1972 wurde Frau Zeiske als eine der ersten Prädikanten in Bayern in Puchheim eingeführt und predigte bis 1992, oft bei der Weihnachtsmette. Von Beginn der Gemeindearbeit 1965 wirkte sie mit im Kindergottesdienst, leitete Laienspiele und den Weltgebetstag ab 1965, im Team der ökumenischen Erwachsenenbildung (ab 1969 Puchheimer Podium), so hielt z.B. 1965 einen ihrer der ersten Vorträge zu „Was wollen uns die Paramente sagen?“ Nach der Gründung des Evangelischen Diakonievereins Gröbenzell-Puchheim 1968 übernahm sie Beratungen, nach der Auflösung und Überführung 1971 in die Puchheimer Sozialdienst wirkte sie dort in der Nachbarschaftshilfe mit. Gottesdienst, Mission, Patengemeinde waren ihre Schwerpunkte im Kirchenvorstand, lange als Vertrauensfrau. In ihrem Haus traf sich ein Hauskreis und die ersten Krippenfiguren wurden von ihr gestaltet.
Frauenarbeit in Puchheim
Seit 1956 hatte Christine Zeiske den Vorsitz im Ortsverband München des Deutschen Evangelischen Frauenbundes (DEF) übernommen. Von 1971 bis 1982 leitete sie den DEF-LandesverbandBayern.
In der Chronik ist am 14. Mai 1966 ein Frauenkreis erwähnt, der sich bei Frau Zeiske trifft. Die sogenannten grünen Witwen hat sie mit aktuellen Themen aus dem DEF um sich versammelt. Manche sind bei den sozialpolitischen Studienreisen des DEF mitgefahren. Aber dauerhaft nach München fahren wollten die Mütter nicht, und überraschten Frau Zeiske zu ihrem 65. Geburtstag 1982 mit der Gründung eines DEF-Ortsverbands in Puchheim. Die Mitglieder wurden ermutigt, eigene Vorträge, Buchbesprechungen u. Ä. zu halten. Die Tradition der Studienfahrten und der Themen-Adventsfeiern wurde begründet.
Auch in Puchheim-Ort initiierte sie 1987 einen kleinen ökumenischen Frauenkreis. Ihre letzte Initiative war 1993, im „Jahr mit der Bibel“, im Ortsverband Puchheim einen Bibelfrühstückskreis zu gründen. Den hat Corona 2020 zunächst beendet.
Ein erfülltes Leben
Vieles hat Christine Zeiske initiiert, was für Puchheimerinnen gar nicht immer wahrnehmbar war. Ihre Themen Seelsorge und Psychologie, Ehe- und Familienberatung, die Stellung der freien Mitarbeitenden, das Ehrenamt, Menschenrechte, Stärkung des Basisbezugs und vieles mehr vertrat sie auch in der Generalsynode VELKD ab 1973. Sie initiierte die Ehe- und Familienberatung und auch die Telefonseelsorge in München.
Für ihr großes soziales Engagement in Gesellschaft und Kirche wurde sie 1975 mit dem Bundesverdienstkreuz und 1983 mit dem Bayerischen Verdienstorden geehrt. 1992 verlieh ihr die Gemeinde Puchheim „in Würdigung ihrer großen Verdienste um den Aufbau der evangelischen Kirchengemeinde und ihres Pfarrzentrums in Puchheim, sowie ihr jahrzehntelanges erfolgreiches Wirken in der gemeindlichen Frauenarbeit“ das Ehrenbürgerrecht. In der Laudatio hieß es:
„In Christine Zeiske werde eine Frau geehrt, die für viele Menschen in Puchheim Brücken gebaut, Verbindungen geschaffen, Halt und Beispiel gegeben und das nötige Maß an Toleranz für den Andersdenkenden mitgebracht habe.“ (Archiv der Stadt Puchheim)
Am 14. Februar 1993 starb sie 76-jährig an den Folgen eines Schlaganfalls. Ihr Mann war bereits 1988 gestorben. Erstmalig stand bei ihrer Trauerfeier ein Sarg in der Puchheimer Kirche.
Ein Anliegen von ihr erfüllte sich 1998 mit der Einweihung eines kleinen Gemeindestützpunktes in Puchheim-Ort, das die Gemeinde ihr zu Ehren „Christine-Zeiske-Haus“ nannte. Und seit Mai 2007 wurde nach der Puchheimer Ehrenbürgerin in Puchheim-Ort der Christine-Zeiske-Weg benannt. (Puchheimer Straßennamen von A bis Z. Herkunft und Bedeutung. W. Dreher. Stadtarchiv Puchheim 2021)
Roswitha Schneider
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