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Helga Bürster: Luzies Erbe

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Wir kennen es aus der eigenen Familie – es gibt Themen, die bei Familientreffen deutlich im Raum stehen, aber dennoch nie angespro­chen werden. Von solch einem Familiengeheim­nis erzählt das Buch von Helga Bürster.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht die alte Dame Luzie Mazur und die Geschichte ihres Lebens. Jetzt, nach fast hundert Jahren ist sie gestorben, und ihre beiden Töchter, vor allem ihre Enkeltochter Johanne möchte endlich mehr über das Schweigen in ihrer Familie erfahren. Im Zimmer der Großmutter steht immer ein gepackter Koffer bereit, aus Angst, man würde dereinst wieder fliehen müssen. In diesem Koffer findet Johanne Briefe, Fotos und Dokumente und endlich auch den Hinweis auf das Geheimnis, über das nie gesprochen werden durfte - über den polnischen Großvater Jurek.

Luzie wächst zur Zeit des Dritten Reiches in einem Dorf bei Bremen auf, wo sie auch arbeitet. Wie damals üblich, sind bei den Bauern auch polnische Zwangsarbeiter eingesetzt. Die jungen Leute sehen sich täglich, Blicke und so manches Wort gehen hin und her, doch unter Todesstrafe ist es verboten, dass sie sich näherkommen. Trotz dieser Bedrohung ver­lieben sich der polnische Jurek und die deutsche Luzie. Todesangst begleitet sie immer, wenn sie sich treffen, und doch gelingt es ihnen zeitweise, als klei­ne Familie zusammenzuleben. Das Glück ist flüchtig, Jurek muss zurück nach Polen und Luzie bleibt mit den Kindern im Ort. Der Krieg ist zu Ende und die Menschen versuchen, wieder in die Normalität zurück­zufinden. Im Dorf jedoch bleibt Luzie die Frau, die damals Rassenschande beging und dieser Makel über­trägt sich auch auf ihre Töchter.

Diese Geschichte entdeckt Johanne nun, und sie sucht in Polen nach ihrem Großvater Jurek, sie will ihn befragen, sie will endlich dieses jahrzehntelange Schweigen verstehen. Vieles, was während des Krieges, auf der Flucht oder danach geschah, greift oft noch in die nächste und übernächste Generation, bis in unsere Gegenwart hinein. Deshalb ist es wichtig, dass in den Familien davon erzählt wird und somit manches verstanden und aufgearbeitet werden kann. 

Die Dringlichkeit, mit der Helga Bürster über das Erinnern schreibt, ist interessant und dabei auch sehr unterhaltend.

Insel-Verlag, ISBN 978-3-458-17817-9, 22 €
Buchtipps von Marianne Jauernig-Revier, Schweinfurt

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