Gemeinsam Gutes tun
Seit Mitte der 1980er Jahre kamen gut 2,4 Millionen Russlanddeutsche (Spät-)Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Viele von ihnen sprachen zwar deutsch, ihnen war aber die neue Heimat fremd.
Um ihnen den Start und das Leben in Deutschland zu erleichtern, kümmern sich staatliche Stellen, aber auch zahlreiche Organisationen um diese Menschen, so wie z.B. der Evangelische Frauenbund Schweinfurt. Katharina Geiger interviewte eine der Neubürgerinnen – Kristina Frasch, deren Familie in Schweinfurt ein neues Zuhause fand.
Frau Frasch, Sie haben mir erzählt, dass Ihre Familie nicht aus Deutschland stammt. Was hat sie veranlasst, die alte Heimat zu verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland zu machen? Was haben Sie von Deutschland gewusst oder erwartet?
Ich kam als Spätaussiedlerin mit meiner Familie im Alter von 13 Jahren nach Deutschland. Die Gründe für die Auswanderung meiner Familie waren damals sehr vielfältig. Ich versuche bei dieser Frage nur die wesentlichen Ursachen zu beleuchten: Die ausschlaggebenden Gründe waren einerseits der gesundheitliche Zustand meines Vaters und andererseits daraus folgende finanzielle Schwierigkeiten, für seine Familie zu sorgen und den Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen. Die Hoffnung auf ein perspektivenreiches Leben für uns Kinder sowie eine gute medizinische und soziale Versorgung für unseren Vater war die größte Motivation, uns auf den Weg nach Deutschland zu machen.
Frau Frasch, durch die aktuelle Corona-Krise ist das Thema Migration, Flucht und Vertreibung nicht mehr so präsent in der öffentlichen Wahrnehmung. Dennoch ist die Integration von Zugewanderten eine dauerhafte und herausfordernde Aufgabe sowohl für die aufnehmende Gesellschaft als auch für die Betroffenen selber. Wie haben Sie und ihre Familie dies bei Ihrer Ankunft in Schweinfurt selber erlebt? Welche Rolle spielte bei der Integration dabei der Evangelische Frauenbund mit seinem Motto „Gemeinsam Gutes tun“? Gab es da Generationenunterschiede?
Die typischen Herausforderungen, wie beispielsweise schlechte Sprachkenntnisse, kulturelle Unterschiede und fehlende Orientierung in einem neuen Land, tragen oft dazu bei, dass die Zugewanderten sehr auf Unterstützung von anderen Personen und Hilfsorganisationen angewiesen sind. Unsere Familie war in diesem Fall auch keine Ausnahme. Für mich, als pubertierendes Mädchen, war es besonders schwierig, mich in der neuen Gesellschaft erfolgreich zu integrieren. Im Vergleich zu meinen Eltern, die zusammen mit meiner älteren Schwester an einem Sprachkurs teilgenommen haben, war ich auf mich allein gestellt und musste ohne wesentliche Sprachkenntnisse und keinerlei Unterstützung in der deutschen Schule mithalten.
Glücklicherweise wurde meine Familie mit ihren Sorgen und Problemen nicht ganz allein gelassen, denn zu unserer Unterstützung, um sich in der neuen Heimat zurechtzufinden, kam der Evangelische Frauenbund. Die engagierte Frau Gröner, die ehemalige zweite Vorsitzende des Evangelischen Frauenbundes, kam mehrmals wöchentlich in unsere Unterkunft und gab uns Hilfestellungen in Bezug auf alle Fragen zur sprachlichen, beruflichen, schulischen und sozialen Integration. Durch ihre kompetente und sehr herzliche Unterstützung bekam ich kostenfreie, fächerübergreifende Nachhilfe und fand meine ersten neuen Freunde in der evangelischen Jugendgruppe in Schweinfurt. Meine Eltern dagegen bekamen eine hilfreiche und umfassende Beratung in allen behördlichen Fragen und wurden sehr herzlich in die Gemeinschaft des Evangelischen Frauenbundes in Schweinfurt aufgenommen.
Frau Frasch, in der ehemaligen Sowjet-Union und im gesamten Ostblock spielten die christlichen Kirchen kaum eine Rolle, Religion sei ja das Opium des Volkes, wie es Karl Marx in seiner Religionskritik ausdrückte. Wie war das in Ihrer Familie? Gab es da Veränderungen in Schweinfurt? Wenn ja, können Sie beschreiben welche? Und hat sich daran in Schweinfurt etwas geändert?
Diese Frage zu beantworten fällt mir teilweise schwer, da ich im Jahr 1993 geboren wurde und von der ehemaligen Zeit der Sowjet Union nur aus Erzählungen meiner Eltern die eigenen Eindrücke machte. Ich kann mich aber gut erinnern, dass es in meiner Heimatstadt im Ural viele religiöse Menschen gab, die immer sonntags die örtliche russisch-orthodoxe Kirche zahlreich besuchten. Außerdem gab es dort eine deutschsprachige evangelische Gemeinde, die ihre eigene evang.-luth. Kirche im Jahr 2001 baute. Auch meine Familie hat uns Kinder christlich erzogen. Dabei ist meine Familie eher multikonfessionell: Meine Mutter wurde damals russisch-orthodox getauft, mein Vater aufgrund seiner deutschen Herkunft dagegen evangelisch. Meine Schwester und ich wurden dem Wunsch meines Vaters nach ebenso evangelisch getauft. Zu der örtlichen evangelischen Kirche in Russland hatten wir damals leider wenig Bezug. Dies veränderte sich glücklicherweise nach unserer Anreise nach Deutschland. Für diese positive Entwicklung kann meine Familie dem Evangelischen Frauenbund sehr danken. Die herzliche Einladung zum Gottesdienst von Frau Gröner konnten wir damals nicht ablehnen und somit wurden die regelmäßigen Gottesdienstbesuche zum Alltag unserer Familie.
Frau Frasch, viele der Spätaussiedler-Familien sind zwar evangelisch oder katholisch getauft, nehmen aber kaum am kirchlichen Leben teil. Wie kamen Sie und Ihre Familie dazu, sich im Evangelischen Frauenbund zu engagieren? Und wie hat es sich entwickelt, dass Sie dann letztendlich evangelische Religionspädagogin werden wollen/geworden sind?
Wie ich bereits erzählte, spielte Frau Gröner die entscheidende Rolle bei der Integration meiner Familie in die evangelische Gemeinde in Schweinfurt. Nach meiner erfolgreichen Integration wurde ich Mitglied des Evangelischen Frauenbundes und engagierte mich ehrenamtlich bei zahlreichen Bildungsangeboten und generationsübergreifenden Projekten des Frauenbundes. Zu meinen Aufgaben gehörte unter anderem zweimal in der Woche Kinder mit Migrationsgeschichte bei ihren Hausaufgaben zu unterstützen und sie zu fördern. Aufgrund der gleichen Erfahrungen wusste ich ganz genau, was diese Kinder brauchen und mit welchen Problemen ihre Familien zu kämpfen haben.
Diese wertvolle Tätigkeit half mir neue Kompetenzen zu entwickeln und mein pädagogisches Talent zu entdecken. Genau diese Erfahrungen beeinflussten mich bei meiner zukünftigen Berufsauswahlentscheidung. Auch bei diesem Abschnitt meines Lebens begleitete mich Frau Gröner und schrieb einen Empfehlungsbrief für meine Bewerbung an die Evangelische Hochschule in Nürnberg. So begann mein spannendes Studium zur Religionspädagogin.
Frau Frasch, abschließend eine letzte Frage: Wie sehen Sie die Zukunft der evangelischen Kirche und welche Rolle können dabei Vereine wie der Deutsche Evangelische Frauenbund spielen?
Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen darf ich behaupten, dass sich die christliche Gemeinde sehr positiv auf Integration und Werteentwicklung der Menschen mit Migrationsgeschichte auswirken kann. Gerade in der Phase des Ankommens im anderen Land ist die Kirche ein Wegweiser, welcher als Orientierungshilfe dienen kann.
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