Erinnerungen an den Nürnberger Christkindlesmarkt 1948
Hildegard Krauss, Mitglied OV München, liest aus ihren Erzählungen
Als ich im Dezember 2018 die Süddeutsche Zeitung unter der Rubrik „Bayern“ aufschlug, sprang mir ein Bild entgegen, bei dem ich einen heftigen Stich in der Herzgegend verspürte. Der Nürnberger Christkindlesmarkt von damals, kurz nach dem Krieg - und plötzlich sah ich wieder, wie ich ihn mit meinen 12 Jahren zum ersten Mal erlebte.
Meine Eltern hatten mir vorgeschwärmt von den in herrlichem Schein herausgeputzten Buden mit all den Köstlichkeiten! Aber dann, 10 Jahre lang, war der Hauptmarkt - damals Adolf-Hitler-Platz – leergefegt, und am 2. Januar 1945 nach einem halbstündigen furchtbaren Bombenangriff blieb von der Altstadt nur ein wüstes Trümmerfeld übrig.
Ich erinnere mich ganz genau, 1948, an die kleinen, kümmerlichen Buden in bescheidenem Kerzenlicht und an das, was ich neugierig suchte. Aber nur Schnürsenkel, Blechtöpfe, Nudelhölzer, einfache Essbestecke, Wollstrümpfe und Socken, Unterwäsche, Hausschuhe und weitere notwendig gewordene Gebrauchsgegenstände lagen da. Ein wenig Süßigkeiten fand ich zwar, Haeberlein-Metzger Schokoladen-Lebkuchen (für die ich öfter vor deren Laden anstehen musste - in der Hand die Lebensmittelkarte). Einiges Holzspielzeug war da – ich kann mich nicht mehr genau erinnern, welches.
Es war damals in der anbrechenden Dunkelheit so still unter den spärlichen Besuchern, die schauten und sicher rechneten, was sie sich wohl von dem verbliebenen Rest des Kopfgeldes nach der kürzlichen Währungsreform noch kaufen konnten.
Ich liebe heute noch die Erinnerung an diesen stillen, friedlichen Weihnachtsmarkt mit seinen bescheidenen Buden, umrahmt von den Trümmerresten der Ruinen: Daran, dass ich gerne und froh zu unserer bescheidenen Notwohnung zurückkehrte, in der ein Lämpchen einen großen Sandhaufen mitten in dem noch fertig zu mauernden dritten Zimmer beleuchtete. An meine Eltern, die es verstanden, mit wenigen Mitteln ein warmes Zuhause zu schaffen - zum Beispiel steckte ein Christbäumchen in einer riesengroßen, mit Sand gefüllten Konservendose - und auch unsere beiden Puppen bekamen zu Weihnacht neue Kleider, die meine Mutter nachts zusammengeschneidert hatte. An fremde Nachbarn, mit welchen wir oft Nötiges teilten und uns gegenseitig halfen.
So strahlte diese dunkle Nachkriegszeit für mich so viel Wärme aus, wie ich sie gerne heute noch einmal finden möchte.
Hildegard Krauss, Vorstandsmitglied im Ortsverband München
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