Digitalisierung und Teilhabe – Standortbestimmung aus theologischer, ethischer Sicht
Tagung zum 8. Altersbericht der Bundesregierung
Seit August 2018 arbeitet die 8. Altersberichtskommission am Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“; Ende dieses Jahres sollen der Bundesregierung die Ergebnisse und Empfehlungen vorliegen. Um im Vorfeld Einblick in die Arbeit zu erhalten, aber vor allem um eigene Impulse der Kommission zu geben, lud der Deutsche Evangelische Frauenbund (DEF) zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) zur Tagung „Digitalisierung und Teilhabe – Standortbestimmung aus theologischer, ethischer Sicht“ nach Düsseldorf ein. Dort diskutierten die Teilnehmenden aus ganz Deutschland, welchen Beitrag Technik und Digitalisierung zu einem guten Leben im Alter leisten können und wo eine Standortbestimmung aus theologischer und ethischer Sicht notwendig ist. Organisiert wurde die Tagung vom DEF-Landesverband Rheinland.
In ihrer Einführung wies die Initiatorin der Veranstaltung Irmtraut Pütter, Mitglied im DEF-Bundesvorstand und Vorstandsmitglied der BAGSO, darauf hin, dass der DEF auch schon vor der Fertigstellung des letzten Altenberichts im Jahr 2014 eine Tagung organisiert habe, in der die Verantwortlichen der Alterskommission sehr frühzeitig über den Stand informiert haben.
Volker König, Leitender Dezernent Politik und Kommunikation der Evangelischen Kirche im Rheinland, stellte sein „Wort in den Tag“ unter das Motto „Realität ist heilbar“. Er appellierte den digitalen Wandel mitzugestalten und mitzudenken; denn es gelte auch hier, Regeln zu erstellen und die Abgehängten im Blick zu behalten.
Im Anschluss berichtete Dr. Frank Berner, Leiter der Geschäftsstelle der Altersberichtskommission, von den vorläufigen Einsichten und Überlegungen der Kommission. Er stellte zehn Thesen zur Diskussion:
Digitalisierung ist ein gesellschaftlicher Megatrend, der auf andere Entwicklungen trifft und mit ihnen zusammenwirkt.
In Bezug auf ältere Menschen sind vor allem die folgenden Anwendungsbereiche der Digitalisierung im Blick: Pflege, Assistenzsysteme in der Wohnung, Gesundheitliche Versorgung, E-Governance, Mobilität und Kommunikation.
Viele Anwendungen digitaler Technologien passen nicht zur Lebenswirklichkeit älterer Menschen. Dies erstaunt umso mehr, als viel Geld in die Entwicklung digitaler Technik fließt.
Die Entwicklung digitaler Technik für ältere Menschen und ihre Nutzung hat verschiedene Triebkräfte.
Die Debatte über Digitalisierung ist gerade mit Blick auf ältere Menschen eine Debatte über noch nicht realisierte und erprobte Möglichkeiten.
Digitalisierung geht mit neuen Verschiebungen von Zeit und Raum einher.
Es ist in vielen Anwendungsbereichen noch kaum absehbar, welche Folgen der Einsatz digitaler Technik haben kann.
Digitalisierung hat auch für ältere Menschen bedeutsame soziale Folgen.
Die Digitalisierung führt zu einer neuen Dimension sozialer Ungleichheit. Im Achten Altersbericht wird hierauf besonderes Augenmerk gelegt.
Mit der Digitalisierung entstehen im Hinblick auf das Leben im Alter neue ethische Dilemmata.
Danach stellte Jens Peter Kruse, Vorstandsmitglied der BAGSO, dasPositionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) „Ältere Menschen in der Digitalen Welt“ vor. Darin wird zum einen von Staat und Kommunen gefordert, die Internet-Zugänge zu erleichtern und Erfahrungsräume für ältere Menschen zu schaffen. Zum anderen richtet sich der Appell an Hersteller, Barrieren abzubauen und Vertrauen bei den älteren Verbraucherinnen und Verbrauchern zu wecken. Eine weitere Forderung geht an Anbieter von Waren und Dienstleistungen, die die Verantwortung für die Sicherheit zu garantieren haben. Aber auch Bund und Länder müssen Beratungs-Strukturen schaffen und Medienkompetenz fördern, so die BAGSO. Kruse beendete seinen Vortrag mit der Bemerkung, dass die Selbstbestimmung im Alter immer mehr den souveränen Umgang mit digitalen Technologien erfordere. Dabei sei es die Aufgabe von Staat und Kommunen, die dafür passenden Rahmenbedingungen bereitzustellen. Gleichzeitig seien, so Kruse, die älteren Menschen aufgefordert, die neuen Medien zu nutzen und dadurch ihre Exklusion zu vermeiden.
Anschließend referierte Ralf Peter Reimann, Internetbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland über „Digital Mensch bleiben: Anthropologische und ethische Fragen neu gestellt“. Die Digitalisierung stellt bekannte Denkmuster infrage, der Umbruch wird wahrgenommen, ohne schon genau absehen zu können, wohin die Digitalisierung die Menschheit führt. Reimann gab zu bedenken, dass Pioniere im Silikon Valley den Mensch nicht mehr als Geschöpf Gottes und Gott nicht mehr als Schöpfer sehen, sondern der Mensch werde in der Verbindung mit Künstlicher Intelligenz selbst zu Gott.
Diesen Entwicklungen in der Informatik muss sich auch die Kirche stellen, so Reimann, und die Frage, was der Mensch sei, sei neu zu denken. Für ihn zeichnet sich der Mensch durch seine Gottesebenbildlichkeit und seine Sterblichkeit aus. Außerdem ist er etwas wert als Mensch und muss dafür nichts leisten (Rechtfertigungslehre). Auch habe der Mensch das Recht auf Vergessen und Vergebung, ebenso wie die Freiheit der Entscheidung. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Menschen gegenüber einer Maschine ist seine Einzigartigkeit als Individuum. Am Ende seiner Überlegungen forderte Reimann die Teilnehmenden auf, darüber nachzudenken, wie im digitalen Zeitalter die biblischen Geschichten neu erzählt werden müssten und wo eine Kommunikation von Mensch zu Mensch unerlässlich sei. Bei allem bestehe aber dennoch die Gefahr, dass die Algorithmen den Menschen scheinbar die Verantwortung abnehmen.
Am Ende wies die Moderatorin Nicola Röhricht, Fachreferentin für Digitalisierung und Bildung der BAGSO, darauf hin, dass eine ausführliche Dokumentation der Tagung in Kürze beim DEF-Bundesverband bestellt werden kann (Sallstr. 57, 30171 Hannover oder per Mail info@def-bundeverband.de).
Katharina Geiger
Bild: vlnr: Irmtraut Pütter, Ralf Peter Reimann, Nicola Röhricht, Frank Berner, Jens Peter Kruse
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