Der Mord nebenan – vom Reiz regionaler Krimis in Büchern und Filmen
„Dass so ein schreckliches Verbrechen gerade in unserer Stadt passiert ist! Unvorstellbar! Doch nicht bei uns!“ So oder ähnlich äußern sich Anwohner, die von einem Reporter nach einem Attentat oder dem Auffinden eines Ermordeten interviewt werden. In einer Großstadt wie München oder Hamburg vielleicht oder im fernen Chicago oder New York, aber doch nicht in unserer Kleinstadt, in unserer Nachbarschaft!!
Gewalttaten passieren, aber doch bitte ganz weit weg.
In der Realität mag das Empfinden wohl so sein, bei fiktiven Verbrechen geht die Tendenz aber offensichtlich in eine ganz andere Richtung: je näher der Mord, desto besser, je bekannter der Tatort, umso interessanter!
Man denke an all die Soko-Krimis aus München, Wien oder Köln, an die Rosenheim Cops, Notruf Hafenkante oder die Toten vom Bodensee oder vom Spreewald, bei denen der Ort zumindest ab und zu eine Rolle spielt. Morde in Istanbul oder Venedig sind zwar auch spannend und vermitteln etwas vom Flair der Stadt, aber interessanter für Ortskundige ist dann doch Wilsberg oder der Tatort aus Münster.
Menschen aus Nordbayern erinnern sich sicher sehr gut an den Hype um den ersten Tatort aus Franken. Endlich! Im März 2019, als der Frankentatort gar in Bayreuth spielt, sitzt die halbe Stadt vor dem Fernseher und kommentiert begeistert jeden Bayreuther Platz, der im Film für Sekundenbruchteile vorkommt: Die Uni in Bayreuth, das Amtsgericht, die Molkerei, das Festspielhaus, ein Kameraschwenk über die Stadt. Die Story ist zwar spannend, aber auch ziemlich abstrus, aber egal, sie spielt „bei uns“ und man bemüht sich darin sogar ein bisschen fränkisch zu sprechen.
Ähnliche Tendenzen gibt es auf dem Büchermarkt: Das Angebot an regionalen Krimis boomt. Nach dem Erfolg der Allgäukrimis von Klüpfel und Kobr gibt es plötzlich auch Kommissare und Kommissarinnen aus Bamberg, dem Fichtelgebirge, Nürnberg und natürlich auch aus Bayreuth, deren Fälle auf großes Interesse stoßen. In Bayreuth zum Beispiel von Brigitte Bühler „Tod in Bayreuth“, Jacqueline Lochmüller „Fränkische Vergeltung“ oder von Herbert Meyer „Bayreuther Abgründe“. Auch bei diesen Büchern mag die Geschichte und die Aufklärung der Bluttaten zwar leidlich spannend sein, der besondere Reiz ergibt sich jedoch zum Beispiel aus dem Umstand, dass sich der Mord zur Zeit der Bayreuther Landesgartenschau oder der Wagner-Festspiele ereignet oder weil man die Straßen und Schauplätze kennt, gar in dieselbe Schule gegangen ist, in der das Verbrechen stattgefunden hat und bei dem der Hausmeister eine zwielichtige Rolle spielt…
Nervenkitzel ganz nah – aber zum Glück nicht „in echt“! Mord- und Gewaltphantasien werden befriedigt – aber natürlich nur vom sicheren Sofa aus! Besteht darin der Reiz?
Die Teilnehmerinnen des Medienkreises Bayreuth, bei dem dieses Thema diskutiert wurde, waren sich darin einig, dass gerade der Wiedererkennungswert der örtlichen Gegebenheiten das eigentlich Interessante ist. Je mehr Lokalkolorit, desto besser. Ein schlecht nachgeahmter fränkischer Dialekt wirkt da allerdings eher störend.
Einige Medienkreisfrauen zeigten sich aber auch erstaunt oder erschreckt über die Vielzahl an regionalen Krimis. Einigen ist das Angebot an Mord und Totschlag, besonders im TV, schlichtweg zu viel. „Die Realität - auch in Bayreuth - ist eigentlich schon spannend genug“, meinte eine Teilnehmerin, „da brauche ich nicht auch noch Morde am laufenden Band.“
Krimifans sind da sicher anderer Meinung. Eine angeregte Diskussion – vielleicht auch einmal in Ihrem DEF-Kreis – ist bei diesem Thema jedenfalls garantiert!
Elke Thein, Leiterin des Medienkreises Bayreuth
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