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Corona die Sechzehnte - Notwendig oder Luxus

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Was hat Ihnen oder was fehlt Ihnen in dieser Corona Zeit am meisten? Die allgemein als notwendig erachteten Dinge können es nicht sein. Es gab die ganze Zeit ausreichend Lebensmittel, Medikamente. Wir hatten unser Dach über dem Kopf und wir waren ausreichend mit Kleidung versorgt.

Mit Toilettenpapier war es am Anfang schwierig, aber im Prinzip ausreichend vorhanden. Wir durften sogar spazieren gehen, aber nicht auf einer Parkbank sitzen und lesen.

Aber gehört zum Leben nicht mehr, als nur diese körperlichen Bedürfnisse? Wie ist es mit Seele und Geist? Welche Nahrung brauchen sie? Es gibt sicher wenige unter uns, die weder Radio noch Fernseher besitzen. Die Nachrichten werden damit frei Haus geliefert. Aber auch Unterhaltung, von ganz seicht bis hoch intellektuell. Kinofilme, Opern, Konzerte, Dokumentarberichte aus den verschiedensten Regionen der Erde, in die wir gerade nicht reisen können, und vieles mehr. Im Fernsehen sehen wir die berühmten Opernhäuser mit weltbekannten Stars, wir sehen Theateraufführungen aus München, Zürich oder Wien mit Schauspielern, die wir vor Ort im Allgemeinen nicht zu sehen bekämen. Aber es kommt alles sozusagen aus der „Konserve“. Frau holte nicht das „kleine Schwarze“ oder den eleganten Hosenanzug aus dem Schrank, zog sich nicht die eleganten Pumps an die Füße, sondern sitzt gemütlich im eigenen Fernsehsessel, mit Jeans oder ganz normaler Kleidung und den Hausschuhen an den Füßen, vielleicht sogar mit hochgelagerten Füßen auf dem Sofa. Sicherlich gemütlicher als auf den häufig recht unbequemen Theatersitzen, die auch noch recht eng aneinander stehen. Aber die volle Konzentration auf das Bühnengeschehen fällt im eigenen Wohnzimmer schwerer. Das richtige Erlebnis, zusammen mit anderen im Konzertsaal zu sitzen, im Theater oder selbst im Kino, das fehlte und fehlt zum großen Teil noch immer. Die Besucherzahlen sind eingeschränkt, es gibt keine Pause zum gegenseitigen Austausch und die Maskenpflicht macht die ganze Sache nicht angenehmer. Dabei geht es mir nicht nur um die großen Theater und Opernbühnen, sondern gerade auch um die kleinen Theater, wo junge Schauspielerinnern und Schauspieler ihr erstes Engagement haben, Kleinkunstbühnen mit Kabarett, Kammerkonzerte und Jazz. An solchen Live-Abenden tritt man/frau aus dem Alltag heraus, um dann aber doch etwas von der Stimmung, von der Freude mit in den Alltag hinüber zu nehmen.

Das sind so die „großen Kulturereignisse“, aber wo bleiben die Sportfans? Kein Fußball weder auf Bundesliganiveau noch der Sportverein vor Ort durften gespielt werden. Kein Handball, kein Tennis, kein Schulsport, nichts. Die Absage der Fußball-Europameisterschaft, Absage der Olympischen Spiele, wer hätte vor einem Jahr geglaubt, dass so etwas möglich wäre.

Übrigens: Musikunterricht und Sport fällt bis zu den Sommerferien aus. Das ist wohl nicht bildungsrelevant. Wirklich? Brauchen unsere Kinder nicht gerade diese Fächer als Ausgleich auch für den Video-Unterricht und das Sitzen vor den Arbeitsblättern?

Und was ist mit den Volksfesten, seien es Großereignisse wie das Afrika Festival in Würzburg, das Münchner Oktoberfest, oder auch die kleinen örtlichen Feste und Kirchweihen, wo nur einige Fahrgeschäfte und die Losbude stehen. Kein Kinderkarussell für die Kleinen, kein Riesenrad, keine Achterbahn für den Nervenkitzel. Gehört das nicht auch zu unserer Kultur, und wenn es die gebrannten Mandeln sind oder das Lebkuchenherz, das man sich einmal im Jahr leistet? 

Schlimm ist es für die Jugendlichen, deren Clubs und Discos geschlossen sind. Wo sollen sie sich zusammenfinden? Wo einen Partner, eine Partnerin finden? Sie brauchen ein Ventil, um den Stress von Schule, Ausbildung, Job und auch mit den Eltern abbauen, abtanzen zu können. Bei gutem Wetter sind sie draußen, bis sich Nachbarn beschweren, weil es natürlich laut ist, aber nicht immer scheint die Sonne. Jugendkultur gegen das Ruhebedürfnis der „Alten“.

Sind diese „kulturellen Bedürfnisse“ wirklich Nebensächlichkeiten, Luxus für einige wenige, um die man sich keine Gedanken machen muss, ganz abgesehen von der wirtschaftlichen Bedeutung dieser kulturellen Einrichtungen, aber auch des Schaustellergewerbes. Wir brauchen Zerstreuung, Ablenkung von dem täglichen Einerlei, und Begegnung mit Gleichgesinnten. Daher wird die Politik auch für diese Gewerbezweige kreative Lösungen aufzeigen müssen.

Manche Städte haben schon reagiert und den Schaustellern Plätze und Parks geöffnet, um Karussells und Buden aufzustellen, damit im kleinen Rahmen auch diese Vergnügungen stattfinden können. Aber eine Achterbahn oder Geisterbahn in der Fußgängerzone? Schwer vorstellbar.

Und welche Antwort haben die Kirchen bei diesen Einschränkungen? Sie haben ihre Gottesdienste ins Netz verlegt, fahren jetzt zweigleisig; sowohl Präsenz – als auch Gottesdienste im Internet. Gottesdienste unterbrechen unseren alltäglichen Trott. In der Bibelauslegung erfahren wir Neues, es eröffnen sich neue Perspektiven, die uns im besten Fall dazu verhelfen, einen anderen Blick auf unser Leben zu werfen. Aber auch dazu brauchen wir die Gemeinschaft. Wir sehen die Notwendigkeit, uns und andere vor dem Virus zu schützen, indem wir Abstand halten und Masken tragen, Hände waschen und desinfizieren. Aber wir sehen auch die Notwendigkeit der Begegnung und des gegenseitigen Austauschs, die Bedeutung der Kunst in all ihren Schattierungen, Sport, Spiel und Spannung.

Hier die richtige Balance zu finden, zwischen Eindämmung der Pandemie und Aufrechterhaltung eines einigermaßen normalen Alltags, ist Aufgabe der Politik. Doch als mündige Bürgerinnen und Bürger müssen wir unsere Forderungen dafür klar formulieren.

Mit diesem Brief verabschiedet sich Corona in den wohlverdienten Urlaub, in der Hoffnung im Herbst nicht mehr gebraucht zu werden.

Ihre
Inge Gehlert
Landesvorsitzende

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© Quelle: Pixabay.com

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