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100.000 Stunden im Monat - Ein Plädoyer für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

EAM |

von Elke Beck-Flachsenberg, Rundfunkrätin, Evangelische Frauen in Bayern

Stellen Sie sich vor, es gäbe keinen öffentlich-rechtli­chen Rundfunk mehr: Keinen „Tatort“ und keine Talk­shows, keine Spielfilme und keinen Sport. Auf manche Serien können Sie sicherlich verzichten, aber auch auf Wissens- und Kulturmagazine und die Doku­mentationen? Auch auf arte, Phoenix und 3sat, das Deutschlandradio? Das ist schlecht vorstellbar.

Aber noch schlechter vorstellbar ist, dass keine aus­führlichen und verlässlichen Nachrichten mehr ge­sendet werden. Keine „Tagesschau“, kein „heute“ und keine „Rundschau“. Sicherlich, man würde sich über die privaten Fernsehsender informieren. Doch diese müssen sich selber finanzieren, deshalb werden sie anbieten, was das Publikum will.

Kaum vorstellbar sind Medien, die mit „alternativen“ Fakten arbeiten. Bislang bezog man sich in den öffentlichen Diskussionen auf Zahlen anerkannter Institutionen. Das ändert sich, wenn Fakten als nicht mehr unumstößlich gelten, wenn es „alternative Fak­ten“ gibt. Wenn Megamedienkonzerne wie Google, Apple oder Amazon ihre Wahrheiten verbreiten, durch ihre Algorithmen ganz auf den Bedarf des Einzelnen ausgerichtet, dann fühlen sich alle im Recht. Jede Gruppe bleibt in ihrer „Blase“ gefangen, blind und taub für andere Informationen und ohne Gespür für ein Gemeinwohl.

Unsere Gesellschaft aber braucht Fakten und Glaub­würdigkeit. Nur aus vertrauenswürdigen Meldungen kann sich eine Meinungsbildung entwickeln, die für unsere Demokratie lebenswichtig ist. Deshalb müssen Informationen und Nachrichten auf ihre Richtigkeit geprüft und die Faktenflut analysiert und eingeord­net werden, um eine Orientierung zu geben. Das können am ehesten die Öffentlich-Rechtlichen garan­tieren. Nicht ohne Fehler. Aber mit Bekenntnis zu den Fehlern. Mit einem weiten Korrespondentennetz und journalistischem Ethos, mit Qualität und Wahrhaftig­keit.

Auch im Sinne dieser demokratischen Meinungsbil­dung setzt z. B. der Bayerische Rundfunk (BR) auf eine Regionalisierung seiner Berichterstattung. Zahlreiche Korrespondentenbüros berichten „hautnah“ über die wichtigsten Ereignisse in der Region. Das schafft Zu­gehörigkeit, Gemeinschaft, eine regionale Identität.

Durch Bildungsprojekte ist der BR ein Partner für Lehrer- und Schülerschaft. Er produziert, fördert und vermittelt Kultur und wird so zum Kulturfaktor und als Produzent, Auftraggeber und Arbeitgeber zum Wirtschaftsfaktor in Bayern.

Dabei befinden sich BR und Rundfunk insgesamt in einem gewaltigen Veränderungsprozess, weil sie nicht mehr nach Ausspielwegen, sondern nach Inhalten aufgestellt sind. Dieser Prozess, der durch die neuen Medien und eine veränderte Mediennutzung in Gang gesetzt wurde, verlangt zusätzliche Ressourcen und Mittel.

Viele ärgern sich über die Rundfunkgebühren, die seit 2009 nicht mehr stiegen, 2015 sogar gesenkt wurden. Der fehlende Teuerungsausgleich wird nun - trotz aller Sparbemühungen - von den Landesrund­funkanstalten eingefordert, um nicht am Programm kürzen zu müssen. Für Ihre 17,50 Euro erhalten Sie - allein vom BR - zwei Fernsehprogramme, fünf Hör­funkwellen, mehrere digitale Radiostationen, ein inter­aktives Jugendprogramm, zwei Orchester und einen Chor. Das sind 81.000 Stunden Musik, Information, Bildung und Unterhaltung im Radio und 19.000 Stun­den Fernsehprogramm (BR Fernsehen, ARD-alpha, Zulieferungen für Das Erste). Das ist sehr viel mehr als die zwei Kinokarten, die Sie für das Geld erhielten.

Es sind die Rundfunkgebühren, die ein nicht-kommer­zielles Programm ermöglichen.

Sie ärgern sich trotzdem, weil Sie für etwas bezahlen, was Sie gar nicht sehen oder hören?

Aber zahlen Sie nicht auch von Ihren Steuern Kran­kenhäuser und Altersheime, die Sie möglichst nie in Anspruch nehmen wollen? Das ist öffentliche Daseins­fürsorge – so wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch!

Elke Beck-Flachsenberg, Rundfunkrätin und Vorsitzende der Evangelischen Frauen in Bayern (EFB)

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